Widerstand* und Störungen

Widerstand* und Störungen
[Villenkolonie.Gärten.Griebnitzseepark

 

Hedy-Lamarr-Platz, Neubabelsberg, Foto: vv
Hedy-Lamarr-Platz, Neubabelsberg, Foto: vv

 

DER NEUE UFERWEG AM GRIEBNITZSEE

Die GFZK e.V. befragt die Villenkolonie am Griebnitzsee nach ihren Geschichten. Wie an anderen Orten in Potsdam auch fanden hier 1933 Enteignungen von jüdischen Eigentümer*innen statt. 1945 wurden die Gebäude für die Verhandlungsdelegationen der Potsdamer Konferenz „freigemacht“. Die Delegationen der Verhandlungsführer der Potsdamer Konferenz Harry S. Truman, Winton Churchill/ Clement Attlee und Joseph Stalin hatten in den Villen am Griebnitzsee Quartier genommen.

Nach 1989 fanden wiederum Besitzer*innen-Wechsel, Verwüstungen & „legitime“ Plünderungen statt, keine*r der ehemaligen Bewohner*innen ist zurückgekommen. Zu „Mauerzeiten“ führte zwischen den Betonwänden der sog. „Postenweg“ der DDR-Grenzgrenzsoldaten entlang. Nach dem Mauerfall 1989 entstand aber auch der sog. Uferweg am Griebnitzsee: ein Spazierweg für alle, als Symbol der Freiheit und gemeinsamer Gestaltung. Einige Potsdamer*innen erinnern sich an die Zeiten um 2004/ 2009, als der Uferweg durchgängig begeh- und für Fahrradfahrer befahrbar war; bis erneut die sog. „Grünen Zäune“ durch die neuen Besitzer*innen den Uferweg „parzellierten“: sechs „Uferparks“ sind übriggeblieben, schaffen einen meandernden Geschichtspfad für Eingeweihte und erlauben an wenigen Stellen Einblicke in die historischen Gartenanlagen.

Seit 20 Jahren kämpft die Bürgerinitiative „Griebnitzsee für Alle e.V.“ für die Zugänglichkeit des ehemaligen Kolonnenwegs. Juristische Verfahren, den Uferweg gegen den Willen der Anrainer als Spazierweg durchgängig wieder zu öffnen, scheitern; die Uferwegbeauftragte Maria Hartleb hat eine Kultur der Uferweg-Diplomatie etabliert.    

Die historischen Verstrickungen, Verwaltungsskandale in älterer und jüngerer Zeit haben hier eine „Störungsatmosphäre“ geschaffen, in der fehlerhafte Geschichtsnarrative sichtbar werden und traditionelle Kunstprojekte eine kurze Halbwertszeit haben. Dort wo öffentliche Gedenksteine die deutschen Vertreibungsschicksale verschweigen, "verheddert" sich Aufarbeitung.

Aber es gibt auch andere Narrative: In der Villa Sarre (Spitzweggasse 6) oder der Villa von Armin (Karl-Marx-Straße 25) und dem Haus Riehl (Spitzweggasse 3) lebten oder wohnten im Dritten Reich zeitweise Regimegegner*innen. Marie-Louise Sarre kümmerte sich z.B. um die jüdischen Menschen im Altenheim in der ehemaligen Bergstraße 1, brachte ihnen Essen und besorgte falsche Pässe. Sie gehörte dem Solf-Kreis an, wurde festgenommen und im KZ Ravensbrück (1943-45) inhaftiert. Verlegt in ein SS-Lazarett gelang ihr im April 1945 die Rückkehr in ihr Elternhaus in Neubabelsberg, um kurz danach zusammen mit ihrer Familie die Villa für die russische Delegation (u.a. General Schukow, 1896-1974) räumen zu müssen, der an der Potsdamer Konferenz teilnahm.

Oder Henning von Tresckow, der zeitweise bei seiner Schwester in der Villa von Arnim Zuflucht fand. Er war neben Claus Schenk Graf von Stauffenberg die zentrale Figur des militärischen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus.

Was nach 1945 Widerstand bedeutet, möchten wir herausfinden.

Die GFZK e.V. plant, die komplexe Topographie des Griebnitzseeuferparks erneut zum Gegenstand künstlerisch-konzeptueller Forschungen, Interventionen und Recherchen zu machen. Die Künstlerin/ Glitch-Aktivistin & Forscherin JD Laura Ranglack ist beauftragt, neue Narrative am Griebnitzsee aufzurufen. Der besondere Fokus soll auf ehemaligen Bewohner*innen liegen, die von hieraus den Widerstand organisierten.

Der Kunstverein unterstützt in Kooperation mit der Digitalvilla die Künstlerin Laura Ranglack, das Areal zum Sprechen zu bringen. Den Hedy Lamarr-Platz nehmen wir zum Ausgangspunkt der Recherche. Prof. Dr. Norbert Gronau hat 2019 Hedy Lamarr als Namensgeberin für den dreieckigen Platz (mit dem „seltsamen“ Stein und seinen abgeschliffenen Lochmustern) vorgeschlagen. Seither liegt der Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, Prozesse und Systeme am Hedy Lamarr Platz.  

Als Erfinderin des sog. Frequenzsprungverfahrens & Schauspielerin ist Hedy Lamarr aus vielen Gründen interessant: weil sie dem jüdischen Kulturkreis angehörte, ihre Person mit Schlüsselbegriffen wie Widerstand, Feminismus, Systemstörungen und Digitalisierung verbunden sind. Das Projekt in Zusammenarbeit von Laura Ranglack hat zum Ziel, durch experimentelle Methoden digitaler Dekonstruktion, z.B. durch digitale Glitch-Techniken, akustisches Field-Recording, Soundinstallationen, versteckte QR-Codes zeitgemäße Formen ästhetischer Wahrnehmung auszuloten.

Eine Archiv-WP-Internet-Seite soll zu einem Archiv des Widerstands am Griebnitzsee führen: Tourist*innen und Anwohner*innen, ehemalige, gegenwärtige und zukünftige Bewohner*innen, sollen Informationen und Geschichten beisteuern. Ziel ist es, zeitgemäße Formate des Kulturtourismus zu entwickeln, die auf Geschichtserkundungen abzielen, die sich prozesshaft im Erkunden verborgener Geschichten manifestieren soll.

Das Projekt wird gefördert von der Landeshauptstadt Potsdam im Rahmen der Projektförderung 2024.

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DIGITALVILLA POTSDAM
Hedy-Lamarr-Platz, 14482 Potsdam
Karl-Marx-Str. 67
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Öffentliche Verkehrsmittel
Potsdam, Bahnhof Griebnitzsee