GLITCH __noisy deep islands__
Gesetzt, die Kunst würde von der Erde verschwinden und müsste aus der glückhaft überlebenden Glitch-Art decodiert werden...
GLIT©H ::: hybr*d lecturƎ pƎrformanc$Ǝs __noisy deep islands__
Symposion VERLUSTKONTROLLE (12/ 2023) in der Digitalvilla (Potsdam)

VERLUSTKONTROLLE
GLIT©H ::: hybr*d lecturƎ pƎrformanc$Ǝs __noisy deep islands__
SYMPOSION: 4. + 8. Dezember 2023
Mit Dr. Michael Betancourt, Ian Keaveny, Rosa Menkman, Joana Moll, Niklas Washausen, Till Rückwart, Luis A. Borchardt & Dean Schwarz
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Das ZeM - Brandenburgisches Zentrum für Medienwissenschaften förderte im Rahmen des Jahresthemas 2023/24 VERLUSTKONTROLLE das Symposion GLIT©H ::: __noisy deep islands__ der PLATFORM GLITCH AESTHETICS. So wurde die Digitalvilla am 4. + 8. Dezember 2023 zu einem Treffpunkt internationaler Glitch Activist:innen, die ihre hybr*d lecturƎ pƎrformancƎs präsentierten. Teile der Veranstaltung sind auf dem Youtube-Kanal der PLATFORM GLITCH AESTHETICS dokumentiert.
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Mit der Reflexion des Begriffs VERLUSTKONTROLLE erschlossen sich neue Perspektiven der GLITCH THEORIE. Aus dem Konzept von Verena Voigt M.A.:
Es geht nicht um Kontrollverluste, sondern darum, Verluste zu protokollieren. Um die Spanne zwischen Wahrnehmung und reflektierter Kontrolle (des Verlusts) auszumessen, kommt dem GLITCH eine wichtige Signalfunktion zu. Zwar kann er auch nicht mehr das Unsichtbare des Verlusts sichtbar machen, aber er ist ein wirksamer Indikator für Systemdefizite, undokumentierter Funktionen und Sollbruchstellen im Digitalen und Nicht-Digitalen. Als solcher gibt er Einblicke in unerkannte Eigenschaften der Systeme und Prozesse. Dabei scheint ihm ein Wissen um Reparaturmöglichkeiten eingelagert. Als intentionaler GLITCH hält er Visualisierungsmöglichkeiten von gesellschaftlichen Brüchen bereit. Im Schatten des GLITCH scheinen verborgene Orte der Tarnung auf. Durch intelligente Strategien der Mimikry ist der GLITCH subversiv: ein Instrument subtiler Camouflage.
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GLIT©H ::: hybr*d lecturƎ pƎrformanc$Ǝs __noisy deep islands__ (4. Dezember 2023): Teilnehmende Glitch-Art-Theoretiker*innen und Aktivist*innen: Dr. Michael Betancourt (Savannah, USA, ZooM), Rosa Menkman (NL), FU:BAR-Kurator und Künstler Ian Keaveny (Irland, ZooM), Niklas Washausen (ZooM) FB Kunstpädagogik und -Didaktik, Universität Potsdam, Till Rückwart, metaLAB (at) FU Berlin sowie die Editorial Designer der Publikation GLITCH PHENOMENA 3.0. Luis A. Borchardt & Dean Schwarz, Graphik Designer (Mainz, Berlin, Köln, Amsterdam).
Während der Veranstaltung stellte Dr. Michael Betancourt seine aktuelle Publikation Glitch Theorie: Art and Semiotic (2023) vor.
Die Moderation (4. Dezember): Verena Voigt M.A. (GFZK e.V.)
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Control of Loss: CARBOLYTICS von Joana Moll (8. Dezember 2023)
Joana Molls Research-Projekte untersuchen und thematisieren die Zusammenhänge zwischen Digitalität, Materialität und Politik – sowie die vielfältigen Auswirkungen, die diese Verbindungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Ökologie haben. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen unter anderem die Materialität des Internets, Überwachung, soziale Profilbildung, Schnittstellen und Energieverbrauch. Ihre Arbeiten werden weltweit in renommierten Museen, Galerien, Universitäten und auf Festivals präsentiert. Mit Carbolytics stellt sie ihr neuestes Projekt vor.
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Carbolytics ist ein Projekt an der Schnittstelle von Kunst und Forschung. Es zielt darauf ab, das Bewusstsein für die Umweltauswirkungen allgegenwärtiger Überwachung im Umfeld der Werbetechnologie (AdTech) zu schärfen und zum Handeln aufzurufen. Gleichzeitig will es eine neue Perspektive auf die sozialen und ökologischen Kosten intransparenter Datenpraktiken eröffnen.
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Online-Tracking bezeichnet das Sammeln von Daten über das Verhalten von Nutzer*innen im Internet – etwa beim Lesen von Nachrichten, Einkaufen, der Nutzung sozialer Medien oder beim Durchführen von Suchanfragen. Es ist bekannt, dass das Tracking und die Aufzeichnung des Nutzerverhaltens in den letzten zehn Jahren zu einem zentralen Geschäftsmodell geworden sind.
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Obwohl die gesellschaftlichen und ethischen Folgen missbräuchlicher Überwachung spätestens seit den Enthüllungen Edward Snowdens 2013 öffentlich diskutiert werden, bleiben die Energie- und Umweltkosten solcher Prozesse bislang weitgehend im Verborgenen.
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Das globale Datensammelsystem ist ein komplexes technisches Geflecht, das enorme Ressourcen für seine Existenz und seinen Betrieb benötigt – doch Unternehmen machen nur selten Angaben zu dessen ökologischem Fußabdruck. Darüber hinaus tragen Nutzer*innen unfreiwillig einen Teil dieser Energiekosten mit und übernehmen damit auch einen Teil der Umweltbelastung. Obwohl dieser Aspekt der Überwachung von zentraler Bedeutung ist, fehlt es in alarmierendem Maße an gesellschaftlicher, politischer, unternehmerischer und staatlicher Verantwortungsübernahme. Ein Handlungsaufruf ist daher dringend notwendig.
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Das Projekt Carbolytics ist eine Auftragsarbeit von Aksioma, in Zusammenarbeit mit dem Barcelona Supercomputing Center (BSC) und ist in Kooperation mit The Weizenbaum Insitute + Sónar +D entstanden.
Die Lecture Performance von Joana Moll (8. Dezember 2023) wurde von Prof. Dr. Jan Distelmeyer moderiert. Dokumentation des Ursprungsvortrags von Joana Moll (Data Extraction, Materiality and Agency).
MICHAEL BETANCOURT
Glitch Theorie: Art and Semiotic
Assuming that art would disappear from the earth and would have to be decoded from the luckily surviving Glitch Art, Michael Betancourt’s glitch semiosis would be the theoretical manual with which this reconstruction could succeed. Betancourt once again presents a new standard work, exciting to read for anyone who wants to seriously engage with the theory development within Glitch Art. As an artist, critical theorist researcher, and cultural historian, Betancourt has been closely associated with the Glitch Movement since the 1990s. In the area of tension between Digital Theory and Criticism of Capitalism, Betancourt created a Theory of Discursive Digitality in 2016 with the text The Critique of Digital Capitalism: An Analysis of Political Economy of Digital Culture and Technology. The new publication can be understood as an attempt at Digital Aesthetics in the Post–NFT Era. It implements itself as a subversive stabilizer: in the theoretical foundation of a Glitch Philosophy, which also prepares the audience for an art historical and curatorial reassessment of this art movement.
Text: Verena Voigt M.A., Art Historian, Investigative Curator, Potsdam